
12.01.21
„Unbegrenzt Leistungsfähig“ – nicht ausreichend als Angabe über das Einkommen
BGH Beschluss vom 16.09.2020, Az. XII ZB 49/19
Sachverhalt:
Nach der Scheidung eines Ehepaares vor mehreren Jahren, wurde eine Vereinbarung getroffen, welche den Unterhalt für das nunmehr neunjährige Kind bis zum Jahr 2019 regelte.
Nach Ablauf dieser Frist sollte der Vater 160 Prozent des gültigen Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersgruppe – berechnet nach der Düsseldorfer Tabelle – bezahlen. Hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit gab der Vater an, „unbegrenzt leistungsfähig“ zu sein. Über letzteres ist nunmehr der Streit entbrannt, ob der Vater dazu verpflichtet sei, sein genaues Einkommen offenzulegen.
Entscheidung:
Die Entscheidung des OLG München (Entscheidung vom 23.04.2019, Az. 533 F 11011/18) hat der BGH nun bestätigt.
Danach muss eine Offenlegung des genauen Einkommens erfolgen. Eine solche kann nur dann unterbleiben, wenn diese keine Bedeutung für den Unterhaltsanspruch habe.
Anders als das OLG hält der BGH eine Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle bei Einkommen über 5.500 EUR netto im Monat für „nicht ausgeschlossen“. Diese ist begrenzt bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin ausgewiesenen Einkommensbetrags. Zuvor wurde lediglich eine Einzelfallprüfung vorgenommen.
Zur Begründung führte der BGH an, dass Kinder an dem Lebensstandard der Eltern automatisch teilnehmen würden. Dies gelte auch für den Unterhalt und zwar auch bei Übersteigen des Höchstbetrages des in der Düsseldorfer Tabelle aufgenommenen Einkommens.
Fazit:
Die Angabe des genauen Einkommens ist v.a. dann notwendig, wenn es um die Haftungsquoten hinsichtlich des Mehrbedarfs geht. Ohne die Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle würde es zu einer faktischen Festschreibung des Kindesunterhaltes auf den für die höchste Einkommensgruppe geltenden Betrag kommen.
19.11.20
Häufige Fragen / FAQ zum Familienrecht – Teil 2
Ehevertrag/Scheidungsfolgenvereinbarung
Wie läuft eine mündliche Verhandlung in einem Scheidungsverfahren vor dem Familiengericht ab?
Wenn das Trennungsjahr abgelaufen ist und die Scheidungsfolgen (zumindest der Versorgungsausgleich) geklärt sind, bestimmt das Familiengericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung in Scheidungs- und Folgesachen. Zu diesem Termin wird Ihr persönliches Erscheinen angeordnet, da das Gericht sich durch Ihre Anhörung versichern muss, dass die Voraussetzungen für den Ausspruch der Ehescheidung vorliegen. Im Gerichtstermin müssen Sie sich durch Vorlage eines Reisepasses oder Personalausweises ausweisen. Dies dient der Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit. Auch die Heiratsurkunde ist spätestens zu diesem Zeitpunkt dem Gericht im Original vorzulegen. Liegt diese nicht vor, kann die Ehe nicht geschieden werden. Das Gericht wird Sie persönlich befragen seit wann Sie getrennt leben, ob Sie Ihre Ehe für zerrüttet und gescheitert halten und ob Sie geschieden werden möchten. Dies ist gesetzlich so vorgesehen. Wenn diese Fragen so beantwortet werden, dass das Gericht hieraus schließen kann, dass das Trennungsjahr abgelaufen ist und dass eine Fortsetzung der Ehe nicht mehr zu erwarten ist, wird nach Klärung der Folgesachen im Anschluss die Ehe geschieden.
Die Besprechung der Folgesachen in der Verhandlung erfolgt üblicherweise zwischen dem Gericht und den beteiligten Anwälten.
Folgesachen - Versorgungsausgleich
Im sog. Zwangsverbund muss das Familiengericht bei Einreichung eines Antrags auf Ehescheidung von Amts wegen auch den Versorgungsausgleich durchführen. Dies erfolgt Ausnahmsweise dann nicht, wenn es sich um eine kurze Ehedauer (weniger als drei Jahre zwischen der standesamtlichen Eheschließung und der Zustellung des Scheidungsantrags) handelt oder dieser per Ehevertrag ausgeschlossen wurde. Im letzten Fall hat das Gericht dann aber zu überprüfen, ob der Ausschluss eine Inhalts- bzw. Ausübungskontrolle standhält.
In den Versorgungsausgleich fallen alle künftigen Rentenanrechte (=Anwartschaften), die bei Erreichen der Regelaltersgrenze als laufende Renten ausbezahlt werden. Es handelt sich hierbei also um die Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. um künftige Pensionsansprüche, aber ebenfalls um betriebliche und private Rentenanwartschaften. Ausgeglichen werden hierbei die sog. Ehezeitanteile, d.h. die Anwartschaften, die in der Ehezeit erworben wurden. Als Ehezeit gilt hierbei der erste des Monats, in dem die Ehe geschlossen wurde bis zum letzten des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags.
Beispiel: Standesamtliche Eheschließung am 30.12.2006, Zustellung des Scheidungsantrags am 03.08.2019; Ehezeit damit für den Versorgungsausgleich vom 01.12.2006 bis 30.07.2019
Alle in diesem Zeitraum erworbenen Rentenanwartschaften sind vom Familiengericht von Amts wegen zu ermitteln, d.h. die Eheleute haben im Verfahren anzugeben, bei welchem Rentenversicherungsträger sie Anrechte erworben haben und das Familiengericht hat sodann die Rentenversicherungsträger aufzufordern, entsprechende Auskünfte gegenüber dem Gericht zu erteilen. Bis diese Auskünfte vollständig eingegangen sind, vergehen in der Regel mehrere Monate.
Im Grundsatz werden alle während der Ehezeit erworbenen Anrechte hälftig geteilt. Für den ausgleichberechtigten Ehegatten werden dann entweder beim selben Versicherungsträger Rentenanrechte (= interne Teilung) oder bei einem dritten Versicherungsträger Anrechte begründet (= externe Teilung). Bei der externen Teilung kann im Regelfall der Ausgleichsberechtigte einen Rentenversicherungsträger benennen, bei dem dann bestehende Anrechte erweitert oder neu begründet werden. Wird dieses Wahlrecht nicht ausgeübt, so erfolgt die externe Teilung indem ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet wird.
Eine Ausnahme besteht bei Anrechten aus öffentlich-rechtlichen Dienst-oder Amtsverhältnissen (u.a. Beamte, Soldaten o.ä.). Eine interne Teilung wird nur dann vorgenommen, wenn der Träger des öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses eine interne Teilung zulässt. Im Regelfall erfolgt daher in diesen Fällen ein Ausgleich in die gesetzliche Rentenversicherung.
Der Versorgungsausgleich wird zusammen mit dem Ausspruch der Ehescheidung durchgeführt. Im Endbeschluss, mit dem die Ehe geschieden wird, werden zugleich auch die beteiligten Rentenversicherungsträger vom Familiengericht angewiesen die auszugleichenden Anrechte gem. der Beschlussformel zu teilen.
Ihre Mitwirkung ist hierbei nicht erforderlich. Im Regelfall werden Sie von den Rentenversicherungsträgern einige Zeit nach Rechtskraft der Entscheidung über die vorgenommene Teilung bzw. der Begründung eines Anrechts informiert
06.11.20
Häufige Fragen / FAQ zum Familienrecht – Teil 1
Dauer eines Scheidungsverfahrens?
Exakt vorhersagen lässt sich dies nicht. Juristen reden vom Scheidungsverbundverfahren. Eine Ehe kann durch das Familiengericht geschieden werden, wenn das Trennungsjahr abgelaufen ist, einer der Eheleute Antrag auf Ehescheidung durch einen Rechtsanwalt stellen lässt und der Andere zumindest der Scheidung zustimmt.
Mit der Scheidung müssen/können im Verbundverfahren sog. Folgesachen geregelt werden. Diese Folgesachen sind im FamFG abschließend aufgeführt.
Zwingend, da gesetzlich so vorgesehen, hat das Gericht im Zuge eines Scheidungsverfahrens im sog. Zwangsverbund den Versorgungsausgleich (Teilung der während der Ehezeit erworbenen künftigen Rentenrechte) durchzuführen. Im Regelfall dauert die Klärung der Rentenanrechte ab Antragstellung ca. 5 bis 7 Monate. Erst wenn der Versorgungsausgleich selbst auch entscheidungsreif ist, wird das Familiengericht die Scheidung aussprechen und zugleich auch den Versorgungsausgleich durchführen.
Das bedeutet, dass in dieser Konstellation zwei bis drei Monate vor Ablauf des Trennungsjahres Antrag auf Ehescheidung gestellt werden kann.
Eine Ausnahme besteht für kurze Ehen (zwischen der Eheschließung und der Zustellung des Antrags auf Ehescheidung liegen weniger als drei Jahre), in denen der Versorgungsausgleich nur auf Antrag eines der Ehegatten durchgeführt wird.
Abweichungen können sich ferner ergeben, wenn durch einen notariellen Ehevertrag die Durchführung des Versorgungsausgleichs ausgeschlossen wurde. Wenn hiergegen keine Wirksamkeits- und Durchsetzungshindernisse bestehen, dann ist das Familiengericht an diese Vereinbarung gebunden.
Wenn ein Versorgungsausgleich aus vorgenannten Gründen vom Familiengericht nicht durchzuführen ist und auch sonst keine weiteren Folgesachen durchzuführen sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass eine Scheidung durch das Familiengericht ca. sechs bis acht Wochen nach Einreichung des Scheidungsantrags ausgesprochen wird. In dieser Konstellation könnte ein Scheidungsantrag ca. 11 Monate nach der Trennung gestellt werden.
Auf Antrag hat das Gericht über die Folgesachen Zugewinnausgleich, nachehelicher Unterhalt, Kindesunterhalt, Ehewohnung, Hausrat, elterliche Sorge und Umgang zu entscheiden. Wichtig ist hierbei zu wissen, dass eine entsprechende Verbundentscheidung erst vom Familiengericht ergehen kann, wenn alle vor dem Gericht anhängigen Folgesachen entscheidungsreif sind. Es ergeht dann eine sog. Verbundentscheidung, die ab Rechtskraft der Scheidung wirkt. M.E. macht es wenig Sinn, eine Entscheidung zur elterlichen Sorge, zum Umgang oder zum Kindesunterhalt im Zuge eines Verbundverfahrens herbeizuführen. Wenn es hier zu Streitigkeiten kommt sind hierzu Regelungen ab bzw. nach der Trennung notwendig, die notwendigerweise auch zeitnah herbeigeführt werden sollen, also unabhängig vom Scheidungsverfahren. Hier empfiehlt es sich also immer, isolierte Verfahren zu betreiben.
Werden also im Verbundverfahren weitere Angelegenheiten (Zugewinnausgleich, nachehelicher Unterhalt, etc..) verfolgt, dann hat dies auch Auswirkungen auf die Dauer eines Scheidungsverfahrens. Rechtstechnisch reden wir dann hierbei auch von einer streitigen Scheidung. Mit einer Verfahrensdauer von zwei Jahren und mehr ist dann im Regelfall zu rechnen.
Lässt sich ein Scheidungsverfahren beschleunigen?
Grundsätzlich ja. Wenn das Gericht den Versorgungsausgleich durchzuführen hat dann empfiehlt es sich bei bestehenden Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bereits im Vorfeld, d.h. vor Einreichung des Scheidungsantrags, den Versicherungsverlauf klären zu lassen. Oftmals bestehen Lücken im Versicherungsverlauf, die von der gesetzlichen Rentenversicherung dann im Scheidungsverfahren geklärt werden, was zur Verzögerungen, in manchen Fällen um viele Monate, bei der Auskunftserteilung führt.
Erfolgt die Ehescheidung einvernehmlich, dann ist es auch sinnvoll, wenn mit Einreichung des Scheidungsantrags zugleich auch der von beiden Eheleuten ausgefüllte Fragebogen zum Versorgungsausgleich mit bei Gericht eingereicht wird. Das Gericht kann in diesem Fall dann direkt die Rentenversicherungsträger um Auskunft über die Rentenanwartschaften der Eheleute bitten, ohne dass durch Übersendung der Fragebögen vom Gericht an die Beteiligten weitere Zeit ( ca. drei bis vier Wochen) ungenutzt verstreicht.
Bei Einreichung eines Scheidungsantrags sind Gerichtsgebühren einzubezahlen, deren Höhe sich nach dem Gegenstandswert bemisst. Wird kein Gegenstandswert angegeben, dann wird ein solcher anhand der zwingend im Scheidungsantrag zu tätigen Angaben vom Gericht errechnet und dem Antragsteller/der Antragstellerin über die Landesjustizkasse in Rechnung gestellt. Erst wenn dieser Betrag dann an die Landesjustizkasse überwiesen wurde, wird der Scheidungsantrag dem anderen Ehegatten zugestellt.
Deutlich schneller (Ersparnis ca. 1 Monat) erfolgt die Zustellung des Scheidungsantrags wenn der Gegenstandswert vom Anwalt errechnet wird und der Landesjustizkasse eine Gebühreneinzugsermächtigung im Antrag für ein Kanzleikonto erteilt wird. Nachdem die Gerichte davon ausgehen, dass anwaltliche Konten gedeckt sind, erfolgt dann die Zustellung des Scheidungsantrags unmittelbar. Erforderlich ist hierzu allerdings, dass im Vorfeld der Gerichtskostenvorschuss auf das Anwaltskonto überweisen wird. Nachdem es sich hierbei aus anwaltlicher Sicht um Fremdgeld handelt, erfolgt hierüber durch den Anwalt keine Rechnungstellung.
Sollen weitere Folgesachen im Scheidungsverbund (z.B. nachehelicher Unterhalt und/oder Zugewinn) geklärt werden, ist, wenn die außergerichtlichen Verhandlungen hierüber scheitern, durchweg mit längeren Verfahrensdauern zu rechnen
27.04.2020
Rechtsanwalt Christoph Kleinherne im Interview mit der WELT
Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht Christoph Kleinherne im Gespräch mit der WELT zum Thema "Die Rechte der Patienten, wenn es um Leben und Tod geht"
23.04.2020
Interview mit Rechtsanwalt Kleinherne zur Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
"Warum die Vollmacht gerade jetzt so wichtig ist Man schiebt es gerne auf die lange Bank: für den Fall von Unfall oder Krankheit vorzusorgen. In Zeiten von Corona ist eine Vollmacht aber besonders wichtig. Rechtsanwalt Christoph Kleinherne erklärt, warum."
01.04.2020
Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung – akuter Handlungsbedarf wegen Corona?
Gerade wegen der derzeitigen Corona-Pandemie erreichen mich und auch meine geschätzten Kollegen vermehrt Anfragen zum Thema „Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung“.
Brauche ich so etwas? Worüber genau kann ich verfügen? Was muss ich beachten und wer darf meinen Willen letztlich wie durchsetzen?
Mit diesem Beitrag kann und will ich nicht alle aufkommenden Fragen beantworten. Ich will auch nicht damit „werben“, dass unbedingt anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss, denn das ist tatsächlich weder vorgeschrieben noch in jedem Fall erforderlich. So sind beispielsweise über die Homepage des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz entsprechende Textbausteine frei abrufbar.
Es ist auch nicht meine Absicht, Panik zu verbreiten, denn selbstverständlich kann es gerade bei einer Covid-19 Erkrankung möglich sein, dass der betroffene Patient bei einer Krankenhausaufnahme seine Behandlungswünsche und den Ablauf noch äußern und mitbestimmen kann, so dass der Rückgriff auf eine Patientenverfügung gar nicht erforderlich wird. Jedenfalls aber ist in der jetzigen Situation dringend zu überlegen und zu hinterfragen, ob es nicht ratsam wäre, für den Fall einer Erkrankung an Covid-19 explizite Ausnahmen in der – ggf. schon bestehenden - Patientenverfügung zu treffen, die Patientenverfügung mindestens aber zu prüfen und zu konkretisieren:
Wir alle wissen nämlich noch zu wenig über diese Erkrankung und die möglichen Folgen und Spätschäden. Es scheint momentan aber jedenfalls so zu sein, dass zumindest keine dauerhafte intensivmedizinische Behandlung (in der Regel durch Beatmung) erforderlich ist. Im schlimmsten und hoffentlich nicht eintretenden Fall steht aber eine solche Behandlung bereits aus Kapazitätsgründen nicht mehr allen erkrankten Patienten zur Verfügung. Die Ärzte müssen dann im Vorfeld eine Entscheidung („Triage“) darüber treffen, welche Patienten nicht (weiter) behandelt werden können.
In diesem Zusammenhang wurde jüngst von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) ein Kriterienkatalog veröffentlicht, an dem sich Ärztinnen und Ärzte orientieren können, wenn während der Covid-19-Pandemie die Ressourcen in Notaufnahmen und Intensivstationen nicht mehr ausreichen und sie unter Schwerkranken eine Auswahl treffen müssen. Dort heißt es unter anderem, dass Patienten, die eine Intensivtherapie ablehnen, nicht intensivmedizinisch behandelt werden. Ob eine Intensivtherapie abgelehnt wird, soll dabei auf der Grundlage des aktuell geäußerten oder (wenn eine Äußerung nicht mehr möglich ist) des erklärten (z.B. in einer Patientenverfügung!) oder des früher mündlich geäußerten und mutmaßlichen Willens erfolgen. Bereits hierdurch wird deutlich, dass einer Patientenverfügung sehr viel Gewicht zukommt und zu beachten ist, dass bspw. die Ablehnung intensivmedizinischer Behandlungen gerade auch in der jetzigen Zeit an konkrete Bedingungen geknüpft werden muss.
Was genau ist nun aber unter eine Patientenverfügung zu verstehen beziehungsweise was passiert, wenn Sie eine solche nicht erstellen?
Mit der im Gesetz unter § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB genannten „qualifizierten Patientenverfügung“ können Sie einen „konkreten Behandlungswunsch“ äußern und damit eine eigene Entscheidung treffen. Liegt eine solche konkrete und im Übrigen wirksame Verfügung vor, muss diese eigene Entscheidung des später nicht mehr einwilligungsfähigen Patienten ohne „Wenn und Aber“ umgesetzt werden. Der Vorsorgebevollmächtigte oder Betreuer, also meist ein naher Angehöriger, muss dann „lediglich“ noch prüfen, ob eine Lebens- und Behandlungssituation vorliegt, für die die qualifizierte Patientenverfügung zuvor erstellt worden ist.
Diese auf den ersten Blick für den Bevollmächtigten hart anmutende Prüfung ist damit aber gleichzeitig eine Erleichterung, denn dieser muss keine eigene Entscheidung mehr darüber treffen, welche ärztlichen Maßnahmen getroffen oder unterlassen werden sollen.
Vor genau dieser schwerwiegenden Entscheidung steht der Bevollmächtigte aber in den Fällen, in denen entweder gar keine oder aber eine zwar gut gemeinte aber zu unkonkret gefasste oder aus sonstigen Gründen unwirksame schriftliche Patientenverfügung vorliegt:
Gemäß § 1901a Abs. 2 S. 1 Alt. 1 und Alt. 2 BGB muss der Bevollmächtigte dann nämlich die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten selber feststellen und auf dieser Grundlage selbst entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist dabei aufgrund „konkreter Anhaltspunkte“ zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind also höchstens noch frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.
Die damit einhergehenden Probleme liegen auf der Hand und die bei dem Bevollmächtigen (also in der Regel einem nahen Angehörigen) entstehenden Zweifel und Gewissenskonflikte werden diesen vermutlich lange begleiten.
Nehmen Sie sich also die Zeit, kaufen Sie weniger Toilettenpapier und sprechen Sie dafür lieber miteinander (mutmaßlicher Wille) oder erstellen Sie bestenfalls eine qualifizierte Patientenverfügung. Dies nicht nur, um eine eigene Entscheidung zu treffen sondern auch und ganz besonders, um Ihren Angehörigen eine sonst schwerwiegende Entscheidung abzunehmen.
29.11.2019
Arzthaftung: Umkehr der Beweislast bei einem Befunderhebungsfehler
Arzthaftungsprozesse werden nach der jeweils geltenden Beweislast entschieden. Der Patient steht dabei vor der Herausforderung, nicht nur einen Fehler des Arztes beweisen zu müssen - es muss darüber hinaus, wenn nicht ein „grober Behandlungsfehler“ festgestellt werden kann, auch feststehen, dass sich dieser Fehler tatsächlich auch ausgewirkt hat, also für die eingetretenen Gesundheitsschäden „ursächlich“ gewesen ist. Etwaige Zweifel an der Ursächlichkeit eines Behandlungsfehlers gehen dann voll zu Lasten des Patienten und führen in einer Vielzahl von Fällen zur Klageabweisung vor Gericht.
Anders sieht die Sache aus, wenn ein so genannter Befunderhebungsfehler im Raume steht. Ein solcher wird bejaht, wenn es nach der jeweiligen Sachlage „medizinisch zweifelsfrei geboten“ gewesen wäre, weitere Befunde einzuholen (also weitere Abklärungen zu veranlassen). Unterlässt es der Arzt, solche medizinisch gebotenen Befunde einzuholen, ist ihm ein Befunderhebungsfehler anzulasten.
Dieser Fehler wirkt sich dann, für den Patienten günstig, auf die Frage der „Ursächlichkeit“ aus:
War es überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, dass der Arzt die gebotenen Befunde nicht erhoben hat, kann ein „grober Befunderhebungsfehler“ bejaht werden. War dieser grobe Befunderhebungsfehler zur Verursachung des Gesundheitsschadens auch nur generell geeignet, ist es Sache des Arztes, zu beweisen, dass es gänzlich unwahrscheinlich ist, dass sich dieser Fehler ausgewirkt hat. Dieser Beweis ist in der Regel vom Arzt kaum zu führen.
Aber auch ein „einfacher Befunderhebungsfehler“ kann sich beweisrechtlich zum Vorteil des Patienten auswirken. Wenn sich nämlich bei der gebotenen Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (dazu reicht in der Regel schon eine nur 50 %ige Wahrscheinlichkeit aus) ein reaktionspflichtiger Befund gezeigt hätte, dessen Verkennung oder die Nichtreaktion hierauf nicht mehr nachvollziehbar wären, dann ist ebenfalls der Arzt in der Beweispflicht.
In der Praxis sollte und wird daher jeder Patientenanwalt den Fokus möglichst auf etwaige Befunderhebungsfehler richten. Kann ein solcher bejaht werden, steigen die Erfolgsaussichten mehr als deutlich.
29.11.2019
Sturz im Krankenhaus/Pflegeheim: Berücksichtigung bestehender Vorschäden und Gebrechen
Haftungsrechtlich relevant ist vor allem der Sturz eines Patienten beziehungsweise Bewohners im Zusammenhang mit einer „konkret geschuldeten Hilfeleistung“ ().
Weil der Aufenthalt des gestürzten Patienten/Bewohners aufgrund bereits vorbestehender Gebrechen erforderlich war, wird seitens des Haftpflichtversicherers teilweise eingewandt, dass die Verletzungsfolgen nicht auf den Sturz sondern auf die bereits vorbestehenden Gebrechen zurückzuführen seien.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (u.a. Urteil vom 19.04.2005, VI ZR 175/04) steht aber eine Mitursächlichkeit, sei es auch nur als Auslöser neben erheblichen anderen Umständen, der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich. Der Schädiger kann sich nach ständiger Rechtsprechung auch nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge bereits vorhandener Beeinträchtigungen und Vorschäden besonders anfällig zur erneuten Beeinträchtigung gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen so gestellt zu werden, als wenn der Betroffene gesund gewesen wäre. Dementsprechend ist die volle Haftung auch dann zu bejahen, wenn der Schaden auf einem Zusammenwirken körperlicher Vorschäden und den Unfallverletzungen beruht, ohne dass die Vorschäden "richtunggebend" verstärkt werden.
Es genügt also grundsätzlich eine „Mitursächlichkeit“ des Sturzes für die eingetretenen Schäden. Der gesamte Schaden wird dann dem Krankenhausträger zugerechnet. Eine Ausnahme besteht nur in den Fällen, in denen der Schädiger beweisen kann, dass durch den Sturz tatsächlich nur ein abgrenzbarer Teil des Schadens entstanden ist. Dieser Beweis ist aber regelmäßig kaum zu führen.
29.11.2019
Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen „Arglist“
Bevor es insbesondere im Bereich der Personenversicherungen zu einem Vertragsschluss zwischen dem Versicherer und dem interessierten Kunden kommt, werden diesem Fragen zu seinem Gesundheitszustand gestellt – der Versicherer möchte schließlich wissen, ob er einem gesunden oder einem gesundheitlich bereits vorbelasteten Kunden Versicherungsschutz anbieten soll.
Bei der Beantwortung der „Gesundheitsfragen“ ist dabei größte Sorgfalt geboten. Beantwortet der Versicherungsnehmer die Fragen falsch, stehen dem Versicherer erhebliche Gestaltungsrechte zu:
Er kann den Vertrag anpassen, kündigen oder von diesem zurücktreten, je nachdem ob die gefahrerheblichen Fragen fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich falsch beantwortet wurden und die weiteren im Gesetz verankerten Voraussetzungen erfüllt sind. An eine dieser Voraussetzungen, nämlich die wirksame Belehrung über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung gemäß § 19 Abs. 5 VVG, sind strenge Anforderungen geknüpft. Eine solche wirksame Belehrung, die dem interessierten Kunden gerade die Bedeutung der Gesundheitsfragen vor Augen halten soll, ist nach der Rechtsprechung aber dann nicht erforderlich, wenn dem Versicherungsnehmer sogar eine „arglistige“ Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen zum Vorwurf gemacht werden kann – in diesem Falle kann der Versicherer, ohne dass es auf die Frage einer Belehrung ankäme, den Vertrag „anfechten“.
Der Bundesgerichtshof hat dies in einer Entscheidung vom 12.03.2014, IV ZR 306/13, damit begründet, dass der arglistig handelnde Versicherungsnehmer insoweit nicht schutzbedürftig ist, denn die von § 19 Abs. 5 VVG bezweckte Information des Versicherungsnehmers über die Folgen seines Verstoßes gegen die Anzeigepflichten verfehlt für den arglistig handelnden Versicherungsnehmer ihr Ziel, weil dieser selbst weiß, dass er vertragswidrig Falschangaben macht, um den Versicherer zum Abschluss eines Vertrages zu veranlassen, den dieser bei wahrheitsgemäßer Unterrichtung in dieser Form nicht geschlossen hätte.
Weil die Grenze zwischen „vorsätzlicher“ und „arglistiger“ Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen eng ist, sprechen die Versicherer deshalb neben einem nur hilfsweise erklärten Rücktritt vom Versicherungsvertrag häufig die Anfechtung des Vertrages aus, gerade weil es in diesen Fällen auf eine wirksame Belehrung im Zusammenhang mit der Beantwortung der Gesundheitsfragen nicht ankommt.
Im Rechtsstreit ist dann die Frage zu klären, ob arglistiges Handeln zu bejahen ist:
Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass dieser sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrags beeinflusst werden kann.
Der Begriff der Arglist erfasst dabei nicht nur ein von betrügerischer Absicht getragenes Handeln, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ reduziert sind. Voraussetzung ist aber immer, dass dem Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder nach früheren Behandlungen überhaupt bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Antrags überhaupt zu beeinflussen.
Weil aber selbst eine bewusst unrichtige Beantwortung von Gesundheitsfragen nicht immer nur in der Absicht geschehen wird, den Willen des Versicherers entsprechend zu beeinflussen, muss der Versicherer nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde.
Hier ist also immer im Einzelfall zu prüfen und darzulegen, was sich der Versicherungsnehmer bei Abgabe einer objektiv falsch beantworteten Gesundheitsfrage gedacht hat.
12.01.21
„Unbegrenzt Leistungsfähig“ – nicht ausreichend als Angabe über das Einkommen
BGH Beschluss vom 16.09.2020, Az. XII ZB 49/19
Sachverhalt:
Nach der Scheidung eines Ehepaares vor mehreren Jahren, wurde eine Vereinbarung getroffen, welche den Unterhalt für das nunmehr neunjährige Kind bis zum Jahr 2019 regelte.
Nach Ablauf dieser Frist sollte der Vater 160 Prozent des gültigen Mindestunterhaltes der jeweiligen Altersgruppe – berechnet nach der Düsseldorfer Tabelle – bezahlen. Hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit gab der Vater an, „unbegrenzt leistungsfähig“ zu sein. Über letzteres ist nunmehr der Streit entbrannt, ob der Vater dazu verpflichtet sei, sein genaues Einkommen offenzulegen.
Entscheidung:
Die Entscheidung des OLG München (Entscheidung vom 23.04.2019, Az. 533 F 11011/18) hat der BGH nun bestätigt.
Danach muss eine Offenlegung des genauen Einkommens erfolgen. Eine solche kann nur dann unterbleiben, wenn diese keine Bedeutung für den Unterhaltsanspruch habe.
Anders als das OLG hält der BGH eine Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle bei Einkommen über 5.500 EUR netto im Monat für „nicht ausgeschlossen“. Diese ist begrenzt bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin ausgewiesenen Einkommensbetrags. Zuvor wurde lediglich eine Einzelfallprüfung vorgenommen.
Zur Begründung führte der BGH an, dass Kinder an dem Lebensstandard der Eltern automatisch teilnehmen würden. Dies gelte auch für den Unterhalt und zwar auch bei Übersteigen des Höchstbetrages des in der Düsseldorfer Tabelle aufgenommenen Einkommens.
Fazit:
Die Angabe des genauen Einkommens ist v.a. dann notwendig, wenn es um die Haftungsquoten hinsichtlich des Mehrbedarfs geht. Ohne die Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle würde es zu einer faktischen Festschreibung des Kindesunterhaltes auf den für die höchste Einkommensgruppe geltenden Betrag kommen.
19.11.20
Häufige Fragen / FAQ zum Familienrecht – Teil 2
Ehevertrag/Scheidungsfolgenvereinbarung
Wie läuft eine mündliche Verhandlung in einem Scheidungsverfahren vor dem Familiengericht ab?
Wenn das Trennungsjahr abgelaufen ist und die Scheidungsfolgen (zumindest der Versorgungsausgleich) geklärt sind, bestimmt das Familiengericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung in Scheidungs- und Folgesachen. Zu diesem Termin wird Ihr persönliches Erscheinen angeordnet, da das Gericht sich durch Ihre Anhörung versichern muss, dass die Voraussetzungen für den Ausspruch der Ehescheidung vorliegen. Im Gerichtstermin müssen Sie sich durch Vorlage eines Reisepasses oder Personalausweises ausweisen. Dies dient der Feststellung der Identität und der Staatsangehörigkeit. Auch die Heiratsurkunde ist spätestens zu diesem Zeitpunkt dem Gericht im Original vorzulegen. Liegt diese nicht vor, kann die Ehe nicht geschieden werden. Das Gericht wird Sie persönlich befragen seit wann Sie getrennt leben, ob Sie Ihre Ehe für zerrüttet und gescheitert halten und ob Sie geschieden werden möchten. Dies ist gesetzlich so vorgesehen. Wenn diese Fragen so beantwortet werden, dass das Gericht hieraus schließen kann, dass das Trennungsjahr abgelaufen ist und dass eine Fortsetzung der Ehe nicht mehr zu erwarten ist, wird nach Klärung der Folgesachen im Anschluss die Ehe geschieden.
Die Besprechung der Folgesachen in der Verhandlung erfolgt üblicherweise zwischen dem Gericht und den beteiligten Anwälten.
Folgesachen - Versorgungsausgleich
Im sog. Zwangsverbund muss das Familiengericht bei Einreichung eines Antrags auf Ehescheidung von Amts wegen auch den Versorgungsausgleich durchführen. Dies erfolgt Ausnahmsweise dann nicht, wenn es sich um eine kurze Ehedauer (weniger als drei Jahre zwischen der standesamtlichen Eheschließung und der Zustellung des Scheidungsantrags) handelt oder dieser per Ehevertrag ausgeschlossen wurde. Im letzten Fall hat das Gericht dann aber zu überprüfen, ob der Ausschluss eine Inhalts- bzw. Ausübungskontrolle standhält.
In den Versorgungsausgleich fallen alle künftigen Rentenanrechte (=Anwartschaften), die bei Erreichen der Regelaltersgrenze als laufende Renten ausbezahlt werden. Es handelt sich hierbei also um die Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. um künftige Pensionsansprüche, aber ebenfalls um betriebliche und private Rentenanwartschaften. Ausgeglichen werden hierbei die sog. Ehezeitanteile, d.h. die Anwartschaften, die in der Ehezeit erworben wurden. Als Ehezeit gilt hierbei der erste des Monats, in dem die Ehe geschlossen wurde bis zum letzten des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags.
Beispiel: Standesamtliche Eheschließung am 30.12.2006, Zustellung des Scheidungsantrags am 03.08.2019; Ehezeit damit für den Versorgungsausgleich vom 01.12.2006 bis 30.07.2019
Alle in diesem Zeitraum erworbenen Rentenanwartschaften sind vom Familiengericht von Amts wegen zu ermitteln, d.h. die Eheleute haben im Verfahren anzugeben, bei welchem Rentenversicherungsträger sie Anrechte erworben haben und das Familiengericht hat sodann die Rentenversicherungsträger aufzufordern, entsprechende Auskünfte gegenüber dem Gericht zu erteilen. Bis diese Auskünfte vollständig eingegangen sind, vergehen in der Regel mehrere Monate.
Im Grundsatz werden alle während der Ehezeit erworbenen Anrechte hälftig geteilt. Für den ausgleichberechtigten Ehegatten werden dann entweder beim selben Versicherungsträger Rentenanrechte (= interne Teilung) oder bei einem dritten Versicherungsträger Anrechte begründet (= externe Teilung). Bei der externen Teilung kann im Regelfall der Ausgleichsberechtigte einen Rentenversicherungsträger benennen, bei dem dann bestehende Anrechte erweitert oder neu begründet werden. Wird dieses Wahlrecht nicht ausgeübt, so erfolgt die externe Teilung indem ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet wird.
Eine Ausnahme besteht bei Anrechten aus öffentlich-rechtlichen Dienst-oder Amtsverhältnissen (u.a. Beamte, Soldaten o.ä.). Eine interne Teilung wird nur dann vorgenommen, wenn der Träger des öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses eine interne Teilung zulässt. Im Regelfall erfolgt daher in diesen Fällen ein Ausgleich in die gesetzliche Rentenversicherung.
Der Versorgungsausgleich wird zusammen mit dem Ausspruch der Ehescheidung durchgeführt. Im Endbeschluss, mit dem die Ehe geschieden wird, werden zugleich auch die beteiligten Rentenversicherungsträger vom Familiengericht angewiesen die auszugleichenden Anrechte gem. der Beschlussformel zu teilen.
Ihre Mitwirkung ist hierbei nicht erforderlich. Im Regelfall werden Sie von den Rentenversicherungsträgern einige Zeit nach Rechtskraft der Entscheidung über die vorgenommene Teilung bzw. der Begründung eines Anrechts informiert
06.11.20
Häufige Fragen / FAQ zum Familienrecht – Teil 1
Dauer eines Scheidungsverfahrens?
Exakt vorhersagen lässt sich dies nicht. Juristen reden vom Scheidungsverbundverfahren. Eine Ehe kann durch das Familiengericht geschieden werden, wenn das Trennungsjahr abgelaufen ist, einer der Eheleute Antrag auf Ehescheidung durch einen Rechtsanwalt stellen lässt und der Andere zumindest der Scheidung zustimmt.
Mit der Scheidung müssen/können im Verbundverfahren sog. Folgesachen geregelt werden. Diese Folgesachen sind im FamFG abschließend aufgeführt.
Zwingend, da gesetzlich so vorgesehen, hat das Gericht im Zuge eines Scheidungsverfahrens im sog. Zwangsverbund den Versorgungsausgleich (Teilung der während der Ehezeit erworbenen künftigen Rentenrechte) durchzuführen. Im Regelfall dauert die Klärung der Rentenanrechte ab Antragstellung ca. 5 bis 7 Monate. Erst wenn der Versorgungsausgleich selbst auch entscheidungsreif ist, wird das Familiengericht die Scheidung aussprechen und zugleich auch den Versorgungsausgleich durchführen.
Das bedeutet, dass in dieser Konstellation zwei bis drei Monate vor Ablauf des Trennungsjahres Antrag auf Ehescheidung gestellt werden kann.
Eine Ausnahme besteht für kurze Ehen (zwischen der Eheschließung und der Zustellung des Antrags auf Ehescheidung liegen weniger als drei Jahre), in denen der Versorgungsausgleich nur auf Antrag eines der Ehegatten durchgeführt wird.
Abweichungen können sich ferner ergeben, wenn durch einen notariellen Ehevertrag die Durchführung des Versorgungsausgleichs ausgeschlossen wurde. Wenn hiergegen keine Wirksamkeits- und Durchsetzungshindernisse bestehen, dann ist das Familiengericht an diese Vereinbarung gebunden.
Wenn ein Versorgungsausgleich aus vorgenannten Gründen vom Familiengericht nicht durchzuführen ist und auch sonst keine weiteren Folgesachen durchzuführen sind, dann kann davon ausgegangen werden, dass eine Scheidung durch das Familiengericht ca. sechs bis acht Wochen nach Einreichung des Scheidungsantrags ausgesprochen wird. In dieser Konstellation könnte ein Scheidungsantrag ca. 11 Monate nach der Trennung gestellt werden.
Auf Antrag hat das Gericht über die Folgesachen Zugewinnausgleich, nachehelicher Unterhalt, Kindesunterhalt, Ehewohnung, Hausrat, elterliche Sorge und Umgang zu entscheiden. Wichtig ist hierbei zu wissen, dass eine entsprechende Verbundentscheidung erst vom Familiengericht ergehen kann, wenn alle vor dem Gericht anhängigen Folgesachen entscheidungsreif sind. Es ergeht dann eine sog. Verbundentscheidung, die ab Rechtskraft der Scheidung wirkt. M.E. macht es wenig Sinn, eine Entscheidung zur elterlichen Sorge, zum Umgang oder zum Kindesunterhalt im Zuge eines Verbundverfahrens herbeizuführen. Wenn es hier zu Streitigkeiten kommt sind hierzu Regelungen ab bzw. nach der Trennung notwendig, die notwendigerweise auch zeitnah herbeigeführt werden sollen, also unabhängig vom Scheidungsverfahren. Hier empfiehlt es sich also immer, isolierte Verfahren zu betreiben.
Werden also im Verbundverfahren weitere Angelegenheiten (Zugewinnausgleich, nachehelicher Unterhalt, etc..) verfolgt, dann hat dies auch Auswirkungen auf die Dauer eines Scheidungsverfahrens. Rechtstechnisch reden wir dann hierbei auch von einer streitigen Scheidung. Mit einer Verfahrensdauer von zwei Jahren und mehr ist dann im Regelfall zu rechnen.
Lässt sich ein Scheidungsverfahren beschleunigen?
Grundsätzlich ja. Wenn das Gericht den Versorgungsausgleich durchzuführen hat dann empfiehlt es sich bei bestehenden Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bereits im Vorfeld, d.h. vor Einreichung des Scheidungsantrags, den Versicherungsverlauf klären zu lassen. Oftmals bestehen Lücken im Versicherungsverlauf, die von der gesetzlichen Rentenversicherung dann im Scheidungsverfahren geklärt werden, was zur Verzögerungen, in manchen Fällen um viele Monate, bei der Auskunftserteilung führt.
Erfolgt die Ehescheidung einvernehmlich, dann ist es auch sinnvoll, wenn mit Einreichung des Scheidungsantrags zugleich auch der von beiden Eheleuten ausgefüllte Fragebogen zum Versorgungsausgleich mit bei Gericht eingereicht wird. Das Gericht kann in diesem Fall dann direkt die Rentenversicherungsträger um Auskunft über die Rentenanwartschaften der Eheleute bitten, ohne dass durch Übersendung der Fragebögen vom Gericht an die Beteiligten weitere Zeit ( ca. drei bis vier Wochen) ungenutzt verstreicht.
Bei Einreichung eines Scheidungsantrags sind Gerichtsgebühren einzubezahlen, deren Höhe sich nach dem Gegenstandswert bemisst. Wird kein Gegenstandswert angegeben, dann wird ein solcher anhand der zwingend im Scheidungsantrag zu tätigen Angaben vom Gericht errechnet und dem Antragsteller/der Antragstellerin über die Landesjustizkasse in Rechnung gestellt. Erst wenn dieser Betrag dann an die Landesjustizkasse überwiesen wurde, wird der Scheidungsantrag dem anderen Ehegatten zugestellt.
Deutlich schneller (Ersparnis ca. 1 Monat) erfolgt die Zustellung des Scheidungsantrags wenn der Gegenstandswert vom Anwalt errechnet wird und der Landesjustizkasse eine Gebühreneinzugsermächtigung im Antrag für ein Kanzleikonto erteilt wird. Nachdem die Gerichte davon ausgehen, dass anwaltliche Konten gedeckt sind, erfolgt dann die Zustellung des Scheidungsantrags unmittelbar. Erforderlich ist hierzu allerdings, dass im Vorfeld der Gerichtskostenvorschuss auf das Anwaltskonto überweisen wird. Nachdem es sich hierbei aus anwaltlicher Sicht um Fremdgeld handelt, erfolgt hierüber durch den Anwalt keine Rechnungstellung.
Sollen weitere Folgesachen im Scheidungsverbund (z.B. nachehelicher Unterhalt und/oder Zugewinn) geklärt werden, ist, wenn die außergerichtlichen Verhandlungen hierüber scheitern, durchweg mit längeren Verfahrensdauern zu rechnen
27.04.2020
Rechtsanwalt Christoph Kleinherne im Interview mit der WELT
Fachanwalt für Medizinrecht und Versicherungsrecht Christoph Kleinherne im Gespräch mit der WELT zum Thema "Die Rechte der Patienten, wenn es um Leben und Tod geht"
23.04.2020
Interview mit Rechtsanwalt Kleinherne zur Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
"Warum die Vollmacht gerade jetzt so wichtig ist Man schiebt es gerne auf die lange Bank: für den Fall von Unfall oder Krankheit vorzusorgen. In Zeiten von Corona ist eine Vollmacht aber besonders wichtig. Rechtsanwalt Christoph Kleinherne erklärt, warum."
01.04.2020
Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung – akuter Handlungsbedarf wegen Corona?
Gerade wegen der derzeitigen Corona-Pandemie erreichen mich und auch meine geschätzten Kollegen vermehrt Anfragen zum Thema „Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung“.
Brauche ich so etwas? Worüber genau kann ich verfügen? Was muss ich beachten und wer darf meinen Willen letztlich wie durchsetzen?
Mit diesem Beitrag kann und will ich nicht alle aufkommenden Fragen beantworten. Ich will auch nicht damit „werben“, dass unbedingt anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden muss, denn das ist tatsächlich weder vorgeschrieben noch in jedem Fall erforderlich. So sind beispielsweise über die Homepage des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz entsprechende Textbausteine frei abrufbar.
Es ist auch nicht meine Absicht, Panik zu verbreiten, denn selbstverständlich kann es gerade bei einer Covid-19 Erkrankung möglich sein, dass der betroffene Patient bei einer Krankenhausaufnahme seine Behandlungswünsche und den Ablauf noch äußern und mitbestimmen kann, so dass der Rückgriff auf eine Patientenverfügung gar nicht erforderlich wird. Jedenfalls aber ist in der jetzigen Situation dringend zu überlegen und zu hinterfragen, ob es nicht ratsam wäre, für den Fall einer Erkrankung an Covid-19 explizite Ausnahmen in der – ggf. schon bestehenden - Patientenverfügung zu treffen, die Patientenverfügung mindestens aber zu prüfen und zu konkretisieren:
Wir alle wissen nämlich noch zu wenig über diese Erkrankung und die möglichen Folgen und Spätschäden. Es scheint momentan aber jedenfalls so zu sein, dass zumindest keine dauerhafte intensivmedizinische Behandlung (in der Regel durch Beatmung) erforderlich ist. Im schlimmsten und hoffentlich nicht eintretenden Fall steht aber eine solche Behandlung bereits aus Kapazitätsgründen nicht mehr allen erkrankten Patienten zur Verfügung. Die Ärzte müssen dann im Vorfeld eine Entscheidung („Triage“) darüber treffen, welche Patienten nicht (weiter) behandelt werden können.
In diesem Zusammenhang wurde jüngst von der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) ein Kriterienkatalog veröffentlicht, an dem sich Ärztinnen und Ärzte orientieren können, wenn während der Covid-19-Pandemie die Ressourcen in Notaufnahmen und Intensivstationen nicht mehr ausreichen und sie unter Schwerkranken eine Auswahl treffen müssen. Dort heißt es unter anderem, dass Patienten, die eine Intensivtherapie ablehnen, nicht intensivmedizinisch behandelt werden. Ob eine Intensivtherapie abgelehnt wird, soll dabei auf der Grundlage des aktuell geäußerten oder (wenn eine Äußerung nicht mehr möglich ist) des erklärten (z.B. in einer Patientenverfügung!) oder des früher mündlich geäußerten und mutmaßlichen Willens erfolgen. Bereits hierdurch wird deutlich, dass einer Patientenverfügung sehr viel Gewicht zukommt und zu beachten ist, dass bspw. die Ablehnung intensivmedizinischer Behandlungen gerade auch in der jetzigen Zeit an konkrete Bedingungen geknüpft werden muss.
Was genau ist nun aber unter eine Patientenverfügung zu verstehen beziehungsweise was passiert, wenn Sie eine solche nicht erstellen?
Mit der im Gesetz unter § 1901a Abs. 1 S. 1 BGB genannten „qualifizierten Patientenverfügung“ können Sie einen „konkreten Behandlungswunsch“ äußern und damit eine eigene Entscheidung treffen. Liegt eine solche konkrete und im Übrigen wirksame Verfügung vor, muss diese eigene Entscheidung des später nicht mehr einwilligungsfähigen Patienten ohne „Wenn und Aber“ umgesetzt werden. Der Vorsorgebevollmächtigte oder Betreuer, also meist ein naher Angehöriger, muss dann „lediglich“ noch prüfen, ob eine Lebens- und Behandlungssituation vorliegt, für die die qualifizierte Patientenverfügung zuvor erstellt worden ist.
Diese auf den ersten Blick für den Bevollmächtigten hart anmutende Prüfung ist damit aber gleichzeitig eine Erleichterung, denn dieser muss keine eigene Entscheidung mehr darüber treffen, welche ärztlichen Maßnahmen getroffen oder unterlassen werden sollen.
Vor genau dieser schwerwiegenden Entscheidung steht der Bevollmächtigte aber in den Fällen, in denen entweder gar keine oder aber eine zwar gut gemeinte aber zu unkonkret gefasste oder aus sonstigen Gründen unwirksame schriftliche Patientenverfügung vorliegt:
Gemäß § 1901a Abs. 2 S. 1 Alt. 1 und Alt. 2 BGB muss der Bevollmächtigte dann nämlich die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten selber feststellen und auf dieser Grundlage selbst entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist dabei aufgrund „konkreter Anhaltspunkte“ zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind also höchstens noch frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten.
Die damit einhergehenden Probleme liegen auf der Hand und die bei dem Bevollmächtigen (also in der Regel einem nahen Angehörigen) entstehenden Zweifel und Gewissenskonflikte werden diesen vermutlich lange begleiten.
Nehmen Sie sich also die Zeit, kaufen Sie weniger Toilettenpapier und sprechen Sie dafür lieber miteinander (mutmaßlicher Wille) oder erstellen Sie bestenfalls eine qualifizierte Patientenverfügung. Dies nicht nur, um eine eigene Entscheidung zu treffen sondern auch und ganz besonders, um Ihren Angehörigen eine sonst schwerwiegende Entscheidung abzunehmen.
29.11.2019
Arzthaftung: Umkehr der Beweislast bei einem Befunderhebungsfehler
Arzthaftungsprozesse werden nach der jeweils geltenden Beweislast entschieden. Der Patient steht dabei vor der Herausforderung, nicht nur einen Fehler des Arztes beweisen zu müssen - es muss darüber hinaus, wenn nicht ein „grober Behandlungsfehler“ festgestellt werden kann, auch feststehen, dass sich dieser Fehler tatsächlich auch ausgewirkt hat, also für die eingetretenen Gesundheitsschäden „ursächlich“ gewesen ist. Etwaige Zweifel an der Ursächlichkeit eines Behandlungsfehlers gehen dann voll zu Lasten des Patienten und führen in einer Vielzahl von Fällen zur Klageabweisung vor Gericht.
Anders sieht die Sache aus, wenn ein so genannter Befunderhebungsfehler im Raume steht. Ein solcher wird bejaht, wenn es nach der jeweiligen Sachlage „medizinisch zweifelsfrei geboten“ gewesen wäre, weitere Befunde einzuholen (also weitere Abklärungen zu veranlassen). Unterlässt es der Arzt, solche medizinisch gebotenen Befunde einzuholen, ist ihm ein Befunderhebungsfehler anzulasten.
Dieser Fehler wirkt sich dann, für den Patienten günstig, auf die Frage der „Ursächlichkeit“ aus:
War es überhaupt nicht mehr nachvollziehbar, dass der Arzt die gebotenen Befunde nicht erhoben hat, kann ein „grober Befunderhebungsfehler“ bejaht werden. War dieser grobe Befunderhebungsfehler zur Verursachung des Gesundheitsschadens auch nur generell geeignet, ist es Sache des Arztes, zu beweisen, dass es gänzlich unwahrscheinlich ist, dass sich dieser Fehler ausgewirkt hat. Dieser Beweis ist in der Regel vom Arzt kaum zu führen.
Aber auch ein „einfacher Befunderhebungsfehler“ kann sich beweisrechtlich zum Vorteil des Patienten auswirken. Wenn sich nämlich bei der gebotenen Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (dazu reicht in der Regel schon eine nur 50 %ige Wahrscheinlichkeit aus) ein reaktionspflichtiger Befund gezeigt hätte, dessen Verkennung oder die Nichtreaktion hierauf nicht mehr nachvollziehbar wären, dann ist ebenfalls der Arzt in der Beweispflicht.
In der Praxis sollte und wird daher jeder Patientenanwalt den Fokus möglichst auf etwaige Befunderhebungsfehler richten. Kann ein solcher bejaht werden, steigen die Erfolgsaussichten mehr als deutlich.
29.11.2019
Sturz im Krankenhaus/Pflegeheim: Berücksichtigung bestehender Vorschäden und Gebrechen
Haftungsrechtlich relevant ist vor allem der Sturz eines Patienten beziehungsweise Bewohners im Zusammenhang mit einer „konkret geschuldeten Hilfeleistung“ ().
Weil der Aufenthalt des gestürzten Patienten/Bewohners aufgrund bereits vorbestehender Gebrechen erforderlich war, wird seitens des Haftpflichtversicherers teilweise eingewandt, dass die Verletzungsfolgen nicht auf den Sturz sondern auf die bereits vorbestehenden Gebrechen zurückzuführen seien.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (u.a. Urteil vom 19.04.2005, VI ZR 175/04) steht aber eine Mitursächlichkeit, sei es auch nur als Auslöser neben erheblichen anderen Umständen, der Alleinursächlichkeit haftungsrechtlich in vollem Umfang gleich. Der Schädiger kann sich nach ständiger Rechtsprechung auch nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalb eingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge bereits vorhandener Beeinträchtigungen und Vorschäden besonders anfällig zur erneuten Beeinträchtigung gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen so gestellt zu werden, als wenn der Betroffene gesund gewesen wäre. Dementsprechend ist die volle Haftung auch dann zu bejahen, wenn der Schaden auf einem Zusammenwirken körperlicher Vorschäden und den Unfallverletzungen beruht, ohne dass die Vorschäden "richtunggebend" verstärkt werden.
Es genügt also grundsätzlich eine „Mitursächlichkeit“ des Sturzes für die eingetretenen Schäden. Der gesamte Schaden wird dann dem Krankenhausträger zugerechnet. Eine Ausnahme besteht nur in den Fällen, in denen der Schädiger beweisen kann, dass durch den Sturz tatsächlich nur ein abgrenzbarer Teil des Schadens entstanden ist. Dieser Beweis ist aber regelmäßig kaum zu führen.
29.11.2019
Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen „Arglist“
Bevor es insbesondere im Bereich der Personenversicherungen zu einem Vertragsschluss zwischen dem Versicherer und dem interessierten Kunden kommt, werden diesem Fragen zu seinem Gesundheitszustand gestellt – der Versicherer möchte schließlich wissen, ob er einem gesunden oder einem gesundheitlich bereits vorbelasteten Kunden Versicherungsschutz anbieten soll.
Bei der Beantwortung der „Gesundheitsfragen“ ist dabei größte Sorgfalt geboten. Beantwortet der Versicherungsnehmer die Fragen falsch, stehen dem Versicherer erhebliche Gestaltungsrechte zu:
Er kann den Vertrag anpassen, kündigen oder von diesem zurücktreten, je nachdem ob die gefahrerheblichen Fragen fahrlässig, grob fahrlässig oder vorsätzlich falsch beantwortet wurden und die weiteren im Gesetz verankerten Voraussetzungen erfüllt sind. An eine dieser Voraussetzungen, nämlich die wirksame Belehrung über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung gemäß § 19 Abs. 5 VVG, sind strenge Anforderungen geknüpft. Eine solche wirksame Belehrung, die dem interessierten Kunden gerade die Bedeutung der Gesundheitsfragen vor Augen halten soll, ist nach der Rechtsprechung aber dann nicht erforderlich, wenn dem Versicherungsnehmer sogar eine „arglistige“ Falschbeantwortung der Gesundheitsfragen zum Vorwurf gemacht werden kann – in diesem Falle kann der Versicherer, ohne dass es auf die Frage einer Belehrung ankäme, den Vertrag „anfechten“.
Der Bundesgerichtshof hat dies in einer Entscheidung vom 12.03.2014, IV ZR 306/13, damit begründet, dass der arglistig handelnde Versicherungsnehmer insoweit nicht schutzbedürftig ist, denn die von § 19 Abs. 5 VVG bezweckte Information des Versicherungsnehmers über die Folgen seines Verstoßes gegen die Anzeigepflichten verfehlt für den arglistig handelnden Versicherungsnehmer ihr Ziel, weil dieser selbst weiß, dass er vertragswidrig Falschangaben macht, um den Versicherer zum Abschluss eines Vertrages zu veranlassen, den dieser bei wahrheitsgemäßer Unterrichtung in dieser Form nicht geschlossen hätte.
Weil die Grenze zwischen „vorsätzlicher“ und „arglistiger“ Falschbeantwortung von Gesundheitsfragen eng ist, sprechen die Versicherer deshalb neben einem nur hilfsweise erklärten Rücktritt vom Versicherungsvertrag häufig die Anfechtung des Vertrages aus, gerade weil es in diesen Fällen auf eine wirksame Belehrung im Zusammenhang mit der Beantwortung der Gesundheitsfragen nicht ankommt.
Im Rechtsstreit ist dann die Frage zu klären, ob arglistiges Handeln zu bejahen ist:
Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Versicherungsnehmer gefahrerhebliche Umstände kennt, sie dem Versicherer wissentlich verschweigt und dabei billigend in Kauf nimmt, dass dieser sich eine unzutreffende Vorstellung über das Risiko bildet und dadurch in seiner Entscheidung über den Abschluss des Versicherungsvertrags beeinflusst werden kann.
Der Begriff der Arglist erfasst dabei nicht nur ein von betrügerischer Absicht getragenes Handeln, sondern auch solche Verhaltensweisen, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens“ reduziert sind. Voraussetzung ist aber immer, dass dem Versicherungsnehmer bei der Beantwortung der Fragen nach dem Gesundheitszustand oder nach früheren Behandlungen überhaupt bewusst ist, dass die Nichterwähnung der nachgefragten Umstände geeignet ist, die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Antrags überhaupt zu beeinflussen.
Weil aber selbst eine bewusst unrichtige Beantwortung von Gesundheitsfragen nicht immer nur in der Absicht geschehen wird, den Willen des Versicherers entsprechend zu beeinflussen, muss der Versicherer nachweisen, dass der Versicherungsnehmer mit Hilfe der Abgabe einer falschen Erklärung auf den Willen des Versicherers einwirken wollte, sich also bewusst war, der Versicherer werde seinen Antrag nicht oder möglicherweise nur unter erschwerten Bedingungen annehmen, wenn der Versicherungsnehmer die Fragen wahrheitsgemäß beantworten würde.
Hier ist also immer im Einzelfall zu prüfen und darzulegen, was sich der Versicherungsnehmer bei Abgabe einer objektiv falsch beantworteten Gesundheitsfrage gedacht hat.
© 2023 Kanzlei Dollinger — Impressum / Datenschutz
Design by gubokoecherlock